Unstable Ground

Für meine raumgreifenden Installationen bemale ich die Rückseiten ausrangierter Werbeplanen. Die Planen sind aus bedrucktem Kunststoff und wurden als Riesenposter an Häuserwänden genutzt. Diese 10 x 12 Meter großen Poster zerschneide ich in lange Bahnen und bemale die weißen Rückseiten. Der Farbauftrag variiert von sehr dünner, aquarellhaft fließender Farbe bis zu dichten, reliefartigen Farbsetzungen. Im Malprozess beziehe ich zufällige Strukturen ein, die zum Beispiel entstehen, wenn die Farbe fließt oder mit einer Rakel geschoben wird. Die mit Werbung bedruckte Fotoseite der Planen bemale ich nicht, beziehe diese Bildfragmente jedoch in meine Installationen ein.

Ausgehend vom klassischen Tafelbild auf Leinwand habe ich auf verschiedene Weise untersucht, wie ich die Malerei in den Raum erweitern kann. Meine Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen den Medien Malerei und Skulptur. Ich installiere die bemalten Planen im Raum und lege sie über Zäune oder architektonische Elemente. Dabei erzeuge ich durch Stauchen, Knautschen und Rollen der Planen Volumen. Die Werbeplanen fungieren so gleichzeitig als Bildträger und als skulpturales Element. In der Formfindung reagiere ich auf die Eigenschaften des Materials und den jeweiligen Ausstellungsraum. Meine Arbeit basiert auf experimentellen und prozessualen Vorgehensweisen und bewegt sich zwischen den Polen Zufall und Kontrolle.

Als Impuls für die Entwicklung neuer Arbeiten beschäftige ich mich gegenwärtig mit Themen wie Instabilität, Verunsicherung, Kontrollverlust. Unsere Welt ist geprägt von Ungewissheit und ständigem Wandel. Megatrends wie Klimaveränderung, Bevölkerungswachstum und geopolitische Verschiebungen sorgen für Krisen und Unsicherheit. Aktuelle Herausforderungen wie die Pandemie, Krieg, Finanz- und Schuldenkrisen oder Dürren sind keine Ausnahmezustände mehr, sondern Teil unserer Normalität. Planbarkeit ist nur bedingt gegeben, wir müssen uns ständig flexibel auf neue Situationen einstellen und auf neue Gegebenheiten reagieren.

Mit meinen Arbeiten nehme ich diese Dynamiken auf, übersetze sie aber nicht abbildend, sondern ich reagiere darauf, indem ich mich im Arbeitsprozess auf Zufall und Kontrollverlust einlasse. Die Eigenschaften der Materialien sowie spezifische Gegebenheiten des Ausstellungsraumes bestimmen die Form meiner Arbeiten mit. Dennoch greife ich immer wieder steuernd ein, bis eine präzise Komposition entsteht. Der Arbeitsprozess ist also ein Wechselspiel zwischen bewussten, gesteuerten Aktionen und dem Zulassen der Eigendynamik der verwendeten Materialien.

Bei der Beschäftigung mit den Themen Instabilität und Kontrollverlust setze ich als formale Mittel flirrende Farbkombinationen und fluoreszierende Farben ein, die eine visuelle Überforderung und Irritation erzeugen. Durch Überlappungen und Wiederholungen wird diese Überreizung noch gesteigert.

Bei der Installation der Planen im Raum wird eine Erfahrung von Desorientierung und Überwältigung erzeugt. Durch amorphe Strukturen und den Einsatz von Baugerüsten werden Raumgefühl und Gleichgewichtssinn irritiert und eine dynamische, instabile Raumerfahrung erzeugt.

Curriculum Vitae

Franziska Hünig

geboren 1970 in Dresden, lebt und arbeitet in Berlin
2003 Meisterschülerin bei Prof. H.J. Diehl, Universität der Künste, Berlin

Berufstätigkeit

2011-2013 aktives Mitglied der Produzentengalerie Stedefreund, Berlin
seit 2021 Lehrauftrag Malerei, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg

Stipendien

2022 Kunstfonds Bonn, Neustart Kultur
2020 Kunstfonds Bonn, Neustart Kultur
2017 Projektstipendium Künstlerdorf Schöppingen 2016 Aufenthaltsstipendium Künstlerdorf Schöppingen 2013 Aufenthaltsstipendium Schloss Balmoral
2005 Stipendium der Käthe-Dorsch-Stiftung
2002 Stipendium der Dorothea-Konwiarz-Stiftung

Sammlungen

Landeskunstsammlung Rheinland-Pfalz Arp Museum Bahnhof Rolandseck Sammlung Volksbank, Kaiserslautern

Ausstellungen (Auswahl)
2022
– Karoshi, Museum für Kunst, Rockenhausen
– On Equal Terms, Uferhallen, Berlin
– Christ-König-Kirche, Neuss, in Kooperation mit Galerie Rupert Pfab, Düsseldorf (solo)
2021
– Angst, keine Angst / Fear, No Fear , Times Art Center, Berlin
– EXH_21_3, Kunstverein Neckar Odenwald (solo)
– GRÜN, LaRaum, Berlin
2020
– EXH_20_1, Essenheimer Kunstverein (solo)
2019
– Galerie Rupert Pfab, Düsseldorf (solo)
– around painting, a project by Anne Kaminsky and Ludwig Seyfarth
– in situ, Hirzenhain
2018
– CMYYK, Kunstverein Augsburg (solo, kat.)
– Kunstverein Frankenthal (solo)
2017
– Landesvertretung Rheinland-Pfalz bei der Europäischen Union, Brüssel, Belgien (solo)
– Bundesrat, Berlin (solo)
– Don`t forget to put flowers in your hair, Galerie Knut Hartwich, Sellin
2016
– Karoshi, Künstlerhaus Sootbörn, Hamburg
2015
– Be abstract, Kunstverein Schwäbisch Hall
– Be abstract, L’oiseau présente, Ballhaus Ost, Berlin
– interventionen, VB Kaiserslautern, in Kooper. mit dem Museum Pfalzgalerie, Kaiserslautern (solo) 2014
– Scraps of Poetry, Deutsches Haus, New York
– Sommerausstellung, Galerie Heike Curtze, Salzburg
2013
– dehnen – schieben – fließen – fallen. Galerie Heike Curtze, Wien (solo)
– The legend of the shelves, Autocenter, Berlin
– Made in Balmoral, Galerie Römerstraße, Bad Ems (solo)
– UNWILDERNESS, b-05 Kunst- und Kulturzentrum, Montabaur
– IN MEDIAS RES, Balmoral-Stipendiaten, Thermen am Viehmarkt, Trier
– Light Space Projects II, H Gallery Chiang Mai, Chiang Mai, Thailand
– Form Signage, Kunstverein Sophienholm, Kopenhagen, Dänemark

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